Arbeitsrecht

Vertrauensarbeitszeit

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Lesezeit: 9 Minuten
Bild Arbeitszeiterfassung Uhr
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Was steckt hinter der Vertrauensarbeitszeit? – Eine Definition

Bei diesem Arbeitszeitmodell teilen Mitarbeiter ihre Arbeitsstunden selbstständig und in eigener Verantwortung ein. Der Fokus liegt auf der Erledigung der vereinbarten Aufgaben. Wann Arbeitnehmer jedoch in ihren Arbeitstag starten und wann sie ihn beenden, entscheiden sie selbst. Einzuhalten sind lediglich die im Arbeitsvertrag festgelegten Wochen- oder Monatszeiten.

Kern des Zeitmodells ist – wie der Begriff Vertrauensarbeitszeit schon andeutet – das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Dennoch gelten auch hier bestimmte Regeln:

Die Höchstarbeitszeit pro Tag liegt auch in diesem Zeitmodell bei 10 Stunden
Nach 6 Arbeitsstunden am Tag muss eine Pause von mindestens 30 Minuten genommen werden
Nach 9 absolvierten Zeitstunden pro Tag ist eine Pause von 45 Minuten Pflicht
Die Ruhepause zwischen einzelnen Arbeitstagen muss 11 Stunden oder mehr betragen

Welche Auswirkungen hat das EuGH-Urteil von 2019 auf die Vertrauensarbeitszeit?

Der europäische Gerichtshof hat in einem Urteil im Mai 2019 beschlossen, dass eine Arbeitszeiterfassung zukünftig für alle Unternehmen der EU zur Pflicht wird. Das bedeutet, dass die europäischen Mitgliedstaaten – so auch Deutschland – dazu angehalten sind, neue Gesetze zur Einhaltung dieser Pflicht zu erlassen. Bisher liegt in Deutschland noch kein endgültiger Beschluss zu diesem Thema vor. Es bleibt abzuwarten, welche Bedeutung ein neues Gesetz zur Arbeitszeiterfassung für die Vertrauensarbeitszeit hat.

Bei der Vertrauensarbeitszeit ist eine detaillierte Arbeitszeiterfassung eigentlich nicht vorgesehen. Dennnoch erfassen Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten oftmals selbst, auch wenn sie aktuell nicht dazu verpflichtet sind. Dadurch behalten sie für sich den Überblick und eine Einschätzung über ihre absolvierten Arbeitsstunden. So haben sie Gewissheit, ob sie zu viel oder zu wenig arbeiten. Eine Zeiterfassung liegt vom Grundsatz her im Interesse des Arbeitnehmers.

Sobald eine Arbeitszeiterfassung per Gesetz bindend ist, hat der Arbeitgeber die Aufgabe, eine Möglichkeit zur Dokumentation der Arbeitszeiten seiner Belegschaft zur Verfügung zu stellen.

Welche rechtlichen Vorgaben gelten grundsätzlich für die Vertrauensarbeitszeit?

Auch für Unternehmen, deren Mitarbeiter nach Vertrauensarbeitszeit arbeiten, gelten die gesetzlichen Vorgaben zur täglichen Höchstarbeitszeit von 8 Stunden (§ 3 ArbZG), die Regelungen zu Pausenzeiten und zur Ruhezeit nach Feierabend von mindestens 11 Stunden (§ 5 ArbZG).

Sobald die tägliche Arbeitszeit die 8-Stunden-Marke überschreitet, sind laut § 16 des Arbeitszeitgesetzes die zusätzlichen Stunden vom Arbeitgeber aufzuzeichnen. Diese Dokumentation delegieren Vorgesetzte oft an ihre Mitarbeiter. Das bewusste Fehlen der Kontrolle von Arbeitszeiten ist schließlich ein Aspekt des Vertrauensarbeitszeitmodells. Arbeiten Mitarbeiter pro Tag dagegen weniger als 8 Stunden, besteht keine Pflicht der Aufzeichnung.

Im Gegensatz zu anderen Zeitmodellen (z.B. Gleitzeit, Vollzeit oder Teilzeit) werden Überstunden nicht ausbezahlt oder durch freie Tage ausgeglichen. Stattdessen pendeln sich die Stunden durch anschließende kürzere Arbeitstage wieder auf das normale Maß ein.

Der Arbeitgeber sollte vor der Einführung von Vertrauensarbeitszeit in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag der einzelnen Mitarbeiter solche – oben genannten – Bestimmungen festhalten. So beugt er Interessenskonflikten und späteren Unklarheiten in Bezug auf die Arbeitserfüllung vor. Beispielsweise könnte er darin auch einen täglichen Zeitrahmen definieren, innerhalb dessen Grenzen sich die werktägliche Arbeitszeit der Belegschaft vor Ort im Betrieb bewegen kann.

Haben Unternehmen einen Betriebsrat, ist es dessen Aufgabe, laut § 80 (1) des Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) darauf zu achten, dass alle Gesetze zugunsten der Arbeitnehmer eingehalten werden. Regelungen zu Mindestpausen, Ruhezeiten und Überstunden sind bereits verpflichtend.

Die Vorteile der Vertrauensarbeitszeit:

  • Mitarbeiter entscheiden selbst, wann sie arbeiten
  • Mehr Eigenverantwortung dank der flexiblen Arbeitszeit
  • Bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben
  • Zeiterfassung ist freiwillig; Pflicht gilt nur für Überstunden
  • Mehr Flexibilität und Selbstständigkeit am Arbeitsplatz
  • Vertrauen statt Kontrolle durch den Arbeitgeber
  • Leistungspotenzial und Mitarbeiterzufriedenheit steigt
  • Zusammenhalt unter den Kollegen wächst durch ein positives Arbeitsklima
  • Produktive Arbeitsleistung der Beschäftigten
  • Attraktives Arbeitszeitmodell
  • Vermeiden von Leerlaufzeiten und Ausfällen

Welche Nachteile birgt sie?

  • Bei hohem Arbeitsaufkommen müssen Arbeitnehmer Mehrarbeit leisten
  • Keine Verpflichtung des Arbeitgebers, Überstunden auszuzahlen
  • Arbeitnehmer leiden unter Leistungsdruck
  • Ausnutzen des Vertrauens durch fehlende Dokumentationspflicht
  • Möglichkeit für Konflikte, da Mitarbeiter unterschiedlich arbeiten
  • Mehr Koordinationsaufwand für Kunden- oder Teammeetings
  • Mitarbeiter haben das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit
  • Arbeitnehmer sind mit der zusätzlichen Verantwortung überfordert

Vertrauensarbeitszeit trotz Arbeitszeiterfassung – ist das möglich

Auch wenn die Erfassung von Arbeitszeiten zukünftig für deutsche Unternehmen zur Pflicht wird, ist es möglich, Mitarbeiter nach Vertrauensarbeitszeit zu beschäftigen. Arbeitszeiten werden häufig bereits durch die Arbeitnehmer mitdokumentiert – wenn auch nicht kontrolliert. Die freie Zeiteinteilung kann auch bei einer zukünftigen  Aufzeichnungspflicht bestehen bleiben. Der Unterschied zu bisherigen Regelung besteht schließlich darin, dass Zeitdaten verpflichtend gesammelt oder mit einem System zur Personalzeiterfassung aufgezeichnet werden.

Heutzutage gibt es diverse Zeiterfassungssysteme, die Arbeitgeber wie Beschäftigten helfen, einfach und bequem Arbeitszeiten online zu erfassen. Ein Stundenzettel oder eine Stempeluhr – wie das früher oft der Fall war – sind heutzutage definitiv nicht mehr notwendig.

Unternehmer können frei entscheiden, welche Voraussetzungen ein elektronisches System zur Arbeitszeiterfassung für sie erfüllen soll:

Wie sollen Mitarbeiter ihre geleisteten Arbeitsstunden erfassen?
Welche werktäglichen Zeitvorgaben gibt es?
Welche Bereiche soll das System bedienen?
Werden Schnittstellen zu übergeordneten ERP-Systemen benötigt?
Möchten Sie ein digitales System, das auch aus dem Home-Office oder per App funktioniert?
Welche weiteren Wünsche oder individuellen Besonderheiten benötigen Sie?
  • Bei hohem Arbeitsaufkommen müssen Arbeitnehmer Mehrarbeit leisten
  • Keine Verpflichtung des Arbeitgebers, Überstunden auszuzahlen
  • Arbeitnehmer leiden unter Leistungsdruck
  • Ausnutzen des Vertrauens durch fehlende Dokumentationspflicht
  • Möglichkeit für Konflikte, da Mitarbeiter unterschiedlich arbeiten
  • Mehr Koordinationsaufwand für Kunden- oder Teammeetings
  • Mitarbeiter haben das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit
  • Arbeitnehmer sind mit der zusätzlichen Verantwortung überfordert

Fragen und Antworten zur Vertrauensarbeitszeit

Nein, jeder Mitarbeiter darf frei wählen, wann er in seine Arbeitstage startet und wann er sie beendet. Er kann zum Beispiel montags erst um 11 Uhr ins Büro kommen, dafür am Dienstag schon um 9 Uhr. Er muss lediglich darauf achten, dass er die in seinem Arbeitsvertrag vereinbarten wöchentlichen oder monatlichen Zeitstunden erfüllt. Gleichzeitig ist es wichtig, dass er die rechtlichen Höchstgrenzen der täglichen Arbeitszeit nicht überschreitet.

Die Vertrauensarbeitszeit bedeutet eben genau das: Vertrauen statt Kontrolle. Die vereinbarte Zeit kann sich der Arbeitnehmer frei einteilen, wichtig ist dabei, dass die Arbeitsqualität nicht darunter leidet und er alle ihm zugeteilten Aufgaben erledigt.

Manche Arbeitgeber definieren zeitliche Rahmen, in denen die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit frei bestimmen. Zum Beispiel öffnen sie die Pforten des Betriebes um 6 Uhr und schließen diese abends um 21 Uhr. Jeder Mitarbeiter absolviert seine Arbeitsstunden in diesem Zeitfenster wie es ihm beliebt.

Legen Unternehmer dagegen eine Kernarbeitszeit fest, d.h. die Belegschaft hat definitiv von 10 bis 15 Uhr im Betrieb zu sein, sprechen wir von einem Gleitzeitmodell.

Es ist Pflicht des Arbeitgebers, Überstunden seiner Beschäftigten aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnungspflicht kann er jedoch auf die Mitarbeiter übertragen. Aus diesem Grund sollte er wenigstens stichprobenartig kontrollieren, wie viele Überstunden tatsächlich bei seinem Personal anfallen. Es geht darum, zu gewährleisten, dass das Arbeitspensum der Mitarbeiter nicht dauerhaft zu hoch ausfällt. Außerdem dienen die Nachweise als Beleg für Kontrollen von Aufsichtsbehörden.

Das flexible Arbeitszeitmodell eignet sich in erster Linie für Angestellte, die Projekte und Aufträge bearbeiten, welche weitgehend selbstständig erledigt werden können. Vor allem Berufe der Kreativbranche, Vertriebler im Außendienst oder auch Entwicklungsteams genießen die Freiheiten eines solchen Zeitmodells.

Dagegen ist das Arbeiten nach Vertrauensarbeitszeit für andere Jobs schlichtweg nicht möglich. Das liegt oftmals an den Anforderungen der Stelle. Verkäufer im Einzelhandel, Kundenberater im Callcenter oder auch Arbeitnehmer im medizinischen Bereich – um hier nur einige Beispiele zu nennen – müssen zu bestimmten Zeiten ihre Arbeit erfüllen. In diesen Berufszweigen ist Vertrauensarbeitszeit nicht umsetzbar.

Oft ist es so, dass Arbeitnehmer länger und mehr arbeiten, wenn es keine Zeiterfassung im Unternehmen gibt. Schließlich möchte niemand, dass der Eindruck entsteht, die Vertrauensarbeitszeit würde ausgenutzt. Es lohnt sich für Mitarbeiter daher, selbstständig die eigenen Arbeitszeiten zu dokumentieren. Laut Arbeitsrecht müssen Überstunden nachgewiesen werden – auch im Zeitmodell der Vertrauensarbeitszeit. Arbeitgeber sind per Gesetz dazu verpflichtet.

Wichtig zu wissen: Im Modell der Vertrauensarbeitszeit werden Überstunden jedoch weder ausbezahlt noch durch freie Tage ausgeglichen.

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6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Wie viel der Autor darüber weiß! Das ist genau das, was ich zur Vertrauensarbeitszeit wissen wollte. Ich danke Ihnen vielmals.

    Antworten
    • Manuela Jahl
      28. Juni 2022 15:52

      Wir freuen uns, dass die Informationen hilfreich für Sie waren.

      (Leider mussten wir den geposteten Link aus Ihrem Kommentar entfernen, da dieser keine weiterführenden Infos zum Thema Vertrauensarbeitszeit enthielt. Vielen Dank für Ihr Verständnis.)

      Antworten
  • Ich wusste nicht, dass die Arbeitszeiterfassung Pflicht wird. Wir arbeiten hier alle auch auf Vertauensarbeitszeit. Am besten frage ich meinen Bruder hierzu aus, der Rechtsanwalt für Arbeitsrecht ist.

    Antworten
    • Manuela Jahl
      7. Dezember 2022 09:56

      Das ist in vielen Firmen bisher so. Mit einem modernen System können die Zeiten von jedem Mitarbeitenden schnell, bequem und transparent sowie rechtssicher erfasst werden.

      (Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir den externen Link aus Ihrem Kommentar an dieser Stelle nicht posten können.)

      Antworten
  • Ich arbeite in Vertrauensarbeitszeit im Durchschnitt 39 Stunden. Die Stunden schreibe ich mir persönlich auf, der Arbeitgeber hat auch nach dem neuen Urteil keine Anweisung gegeben. Wie ist es aber mit der Erreichbarkeit? Wenn ich mein Diensthandy laut habe und erreichbar bin, aber weiter nichts für die Arbeit mache, ist das dann Arbeitszeit?

    Antworten
    • Manuela Jahl
      16. Januar 2023 13:00

      Ein eingeschaltetes Diensthandy allein ist keine Grundlage dafür, dass eine Arbeitszeit vorliegt. Auch eine vom Arbeitgeber vorgegebene Rufbereitschaft zählt nicht zur Arbeitszeit. Hier wird lediglich die Zeit gezählt, wenn es zu einem tatsächlichen Arbeitseinsatz kommt. Der Bereitschaftsdienst hingegen zählt voll zur täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitszeit.

      Antworten

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