Starre Arbeitszeitmodelle machen es Arbeitnehmern oft schwer, neben dem Vollzeitjob private oder persönliche Aufgaben zu erfüllen. So werden Arztbesuche, Behördengänge oder der Friseurbesuch zum Balanceakt. Das Gute: Immer mehr Arbeitgeber ermöglichen ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle – am weitesten verbreitet: Die Gleitzeit.
Diese flexible Form des Zeitmanagements bietet sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern viele Vorteile. Was genau sich hinter dem Begriff „Gleitzeit“ verbirgt, ob dennoch Überstunden gemacht werden dürfen und welche Vorteile für beide Parteien mit diesem Zeitmodell einhergehen, erfahren Sie im folgenden Ratgeber.
Das Wichtigste im Überblick
Was bedeutet Gleitzeit?
Früh kommen, später gehen – am folgenden Arbeitstag genau andersrum; so kann ein Auszug eines Gleitzeitmodells aussehen. Der Mitarbeiter ist dabei nicht mehr an feste Arbeitszeiten gebunden, sondern es wird ein Gleitzeitrahmen festgelegt, der den frühesten Arbeitszeitbeginn und das späteste Ende definiert. Das Ganze unter Berücksichtigung von Kernzeiten und gesetzlichen Mindestpausen, sowie einer maximalen täglichen Arbeitszeit von 10 Stunden.
Bei der gleitenden Arbeitszeit gibt es also keine starren zeitlichen Vorgaben. Stattdessen ermöglicht Gleitzeit den Angestellten einen Spielraum, in dem sie sich ihre Arbeitszeit selbst einteilen. Sie entscheiden frei, flexibel und je nach Arbeitsaufwand, wann sie die Arbeit aufnehmen und ihren Feierabend einläuten. Die vertraglich vereinbarte Soll-Arbeitszeit ist selbstverständlich zu beachten.
Bei der Gleitzeit liegt es in der Verantwortung des Arbeitsnehmers, Arbeitstermine oder Kundenmeetings einzuhalten und seine zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Darüber hinaus gibt es in Unternehmen oftmals einen vom Arbeitgeber definierten Zeitraum – die sogenannte Kernarbeitszeit – in dem jeder Beschäftigte pro Tag vor Ort sein muss. Eine solche Zeitspanne besteht zum Beispiel von 10 bis 15 Uhr.
Das Besondere der Gleitzeitregelung
Zwang eines gemeinsamen Arbeitsbeginns sowie Endes der Arbeit aller Angestellten existiert nicht.
Wie flexibel ist Gleitzeit wirklich?
Die gleitende Arbeitszeit macht flexibel und fördert dadurch die Work-Life-Balance des Mitarbeiters. Sie bedeutet jedoch nicht, dass jeder einfach arbeiten kann, wann er möchte. Auch hier gibt es Regeln, die der Angestellte einzuhalten hat:
Wie viele Stunden pro Woche zu leisten sind, steht in der Regel in jedem Arbeitsvertrag. Das heißt, dass auch in der Gleitzeit eine bestimmte Anzahl an wöchentlichen Stunden geleistet werden muss. Solange der Mitarbeiter die vorgegebene Stundenanzahl arbeitet, kann er an dem ein oder anderen Tag später anfangen oder auch mal früher nach Hause gehen. Sonderregeln sind natürlich immer mit dem Arbeitgeber abzuklären.
Die gesetzlich festgelegten Höchstarbeitszeiten sowie Pausenregelungen des Arbeitszeitgesetzes gelten auch für Personen im Gleitzeitmodell. Pro Tag dürfen Mitarbeiter maximal 10 Stunden arbeiten und müssen in diesem Fall eine mindestens 45-minütige Pause einlegen.
Häufig verbinden Unternehmen das Gleitzeitmodell mit einer fixen Kernarbeitszeit. Das heißt, es gibt einen zeitlichen Rahmen, zum Beispiel von 10 bis 14 Uhr, in dem jeder Angestellte vor Ort im Unternehmen sein muss.
Arbeitszeiterfassung & das Modell der Gleitzeit
Das Gleitzeitmodell eignet sich hervorragend zur Kombination mit einer digitalen Arbeitszeiterfassung. Durch ein solches System behalten Arbeitgeber und Arbeitnehmer die geleistete Arbeitszeit jederzeit im Blick. Die eingebuchten Zeiten errechnen sich minutengenau und die daraus resultierende Differenz wird als Gleitzeitsaldo im Arbeitszeitkonto aufgeführt. Auch Überstunden werden kontinuierlich erfasst und nehmen so nicht überhand. Jeder Vorgesetzte ist permanent über die Leistungen seines Teams im Bilde und kann gegebenenfalls in die Planung und Gestaltung der Arbeitstage eingreifen.
Die Mitarbeiter buchen sich entweder online, per Zutrittskarte oder Chip am Zeiterfassungsterminal in die Software ein. Das System trackt schließlich alle absolvierten Plusstunden wie auch angefallene Minusstunden. Weiterhin bietet die Online-Zeiterfassung die Möglichkeit, Urlaubstage zu planen, Korrekturbuchungen vorzunehmen und zeigt Krankheits- bzw. Fehlzeiten an.
Auswertungen können mit wenigen Mausklicks durch Management oder Personalabteilung erstellt werden und bieten eine optimale Übersicht. Über entsprechende Protokolle kann das Gleitzeitguthaben im Zeiterfassungssystem chronologisch und lückenlos nachverfolgt werden.
Gleitzeit aus Sicht des Arbeitgebers
Vorteile
- Angebot eines attraktiven Zeitmodells für seine Mitarbeiter
- Leicht zu überblicken, geringer Verwaltungsaufwand
- Sehr gut auch für verschiedene Abteilungen geeignet
- Vertrauen in Arbeitnehmer
- Zeitlicher Spielraum innerhalb der Abteilung
- Die Arbeitszeit kann nach Auftragslage oder saisonalen Anforderungen angepasst werden.
- Flexibilität der Arbeitnehmer minimiert Fehlzeiten
- Freiheiten in der Arbeitsgestaltung fördert die Motivation des Teams
Nachteile
- Das Gleitzeit-Modell ist nicht für alle Unternehmensbereiche geeignet
- Absprachen unter den Kollegen nehmen möglicherweise zu
- Arbeitszeiterfassung erforderlich
- Die Gleitzeitregelung ist schriftlich zu definieren
- Betriebsrat ist einzubinden
- Unzufriedenheit in Abteilungen in denen ein anderes Zeitmodell gilt
Gleitzeit für Arbeitnehmer
Vorteile
- Selbstbestimmte Einteilung der Arbeitszeit
- Flexibel in der Organisation von beruflichen To-Do´s und persönlichen Terminen
- Stress und Eile beim Arbeitsweg fallen weg
- Überstunden können eigenständig reguliert werden
- Höhere Arbeitsmotivation durch gewonnene Freiheiten
- „Frühe Vögel“ und „Langschläfer“ können ihrem natürlichen Tagesrhythmus gerecht werden.
Nachteile
- Eigenverantwortung in Bezug auf einzuhaltende Arbeitszeit
- Vermehrte Absprachen unter den Kollegen sind erforderlich
- Kollegen sind schwieriger zu erreichen
- Das Gleitzeitmodell eignet sich nicht für alle Abteilungen
- Eigenmotivation bei erhöhtem Arbeitsaufkommen
Was ist ein Gleittag?
Der Gleittag bedeutet letzten Endes nichts anderes, als der Freizeitausgleich für geleistete Überstunden. In Betrieben, in denen nach Gleitzeit gearbeitet wird, kommt es vor, dass Arbeitnehmer aufgrund von einem größeren Arbeitsaufkommen über einen bestimmten Zeitraum Überstunden aufbauen. Damit sie nicht gezwungenermaßen kürzere Arbeitstage einlegen müssen, um diese zusätzlich aufgebauten Stunden wieder abzubauen, gibt es den sogenannten Gleittag. Sie nehmen mit Zustimmung Ihres Vorgesetzten einen Tag „überstundenfrei“.
Wann und in welchem Ausmaß Gleittage vom Arbeitnehmer genommen werden können, ist in der Regel in einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung sowie im Arbeitsvertrag festgelegt.
Was müssen Betriebe bei der Einführung beachten?
Wichtig für Unternehmen mit Betriebsrat: Wenn Sie Gleitzeit in Ihrem Betrieb einführen möchten, muss der Betriebsrat dieser neuen Form zustimmen. Außerdem sollten Sie über eine Möglichkeit zur Arbeitszeiterfassung für Ihre Mitarbeiter nachdenken. So machen Sie es sich selbst und Ihren Angestellten leichter, den Überblick über alle absolvierten Stunden zu behalten.
Sobald Sie eine Arbeitszeiterfassung verwenden, muss ein Absatz im Arbeitsvertrag dies festhalten. Alternativ ist auch ein Hinweis in Ihrer Betriebsvereinbarung möglich, der dann im Arbeitsvertrag erwähnt wird. Beachten Sie hierzu mögliche rechtliche Neuerungen zur Arbeitszeiterfassung aufgrund des EuGH Urteils von 2019. Nähere Infos rund um das Urteil des EuGHs finden Sie in unserem Ratgeber zum Thema.
Welche Punkte enthält eine Vereinbarung zur Gleitzeit in der Regel?
Ähnlich einem normalen Vertrag enthält die Gleitzeitvereinbarung u. a. für wen welche konkreten Regeln zur flexiblen Arbeitszeit gelten. Hierzu zählen zum Beispiel:
- der Rahmen der Kernarbeitszeit
- die Start- bzw. Endzeiten in deren Grenzen sich die Mitarbeiter mit ihrer täglichen geregelten Arbeitszeit bewegen können
- die wöchentliche Höchstarbeitszeit
- eine Regelung, wie Überstunden abzubauen sind
- die Grenze möglicher Überstunden
In Unternehmen mit Betriebsrat muss dieser zur Beratung über die Gleitzeitvereinbarungen hinzugezogen werden.
Welche Varianten bietet das Gleitzeitmodell?
Für Betriebe, in denen wenig Abstimmungsbedarf besteht, ist die Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit natürlich ideal umsetzbar. Unternehmen legen dann lediglich eine allgemeingültigen Zeitrahmen fest, in denen der Betrieb zum Arbeiten offen steht. Ohne eine fest vereinbarte Kernarbeitszeit kann es ansonsten im normalen Tagesablauf dazu kommen, dass Teammeetings oder Absprachen unter den Kollegen komplizierter werden.
Schließlich haben die Angestellten die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit sehr frei pro Tag einzuteilen. Beschäftigte in Vollzeit sind zwar grundsätzlich pro Tag zwischen 10 bis 14 Uhr anwesend, dennoch sollte hier klug geplant werden. Dagegen haben Teilzeitangestellte die Möglichkeit, statt vormittags auch erst am Nachmittag oder Abend ihre Sollstunden zu leisten.

In manchen Fällen kombinieren Betriebe die Gleitzeitregel mit einer Funktionszeit statt mit einer Kernarbeitszeit. Das bedeutet, dass die Angestellten in dieser vereinbarten Funktionszeit bestimmte Aufgaben zu erfüllen haben – z.B. Telefondienst am Empfang oder Betreuung einer Servicehotline. Deshalb müssen gerade sie in diesem Zeitfenster auf jeden Fall im Unternehmen sein.
Diese Variante der Gleitzeit passt insbesondere zu Abteilungen, in denen sich das Team gegenseitig vertreten kann. Bei dem Modell können Absprachen unter den Kollegen und Kolleginnen getroffen werden, da nicht alle Personen gleichzeitig in dem gesteckten Zeitrahmen am Arbeitsplatz sein müssen.

Jahresarbeitszeit im Gleitzeitmodell bedeutet, dass alle Mitarbeiter nach vorgegebenen Richtlinien ihres Betriebs die eigene Arbeitszeit frei nach Arbeitsaufwand einteilen können. Alle geleisteten Stunden werden auf einem Arbeitszeitkonto gesammelt.
Diese sollten schließlich die vertraglich vereinbarten Zeiten über das Jahr hinweg umfassen. Beschäftigte können in diesem Modell demnach auch entscheiden, ob sie an jedem Wochentag in der Firma anwesend sind oder an bestimmten Tagen nicht – stimmen muss am Ende die Vorgabe zur Arbeitszeit im Arbeitsvertrag.

Gleitzeit vs. Vertrauensarbeitszeit
Während bei den unterschiedlichen Varianten der Gleitzeit, die absolvierten Sollstunden auf unterschiedliche Art und Weise erfasst und überprüft werden, kontrolliert bei dem Modell der Vertrauensarbeitszeit niemand die täglich absolvierte Arbeitsleistung. Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus 2019 ändert sich dies zukünftig, da eine Aufzeichnung der Arbeitszeit zur Pflicht für den Arbeitgeber wird.
BEISPIEL
Gleitzeit – Das Arbeitsmodell für …
…mehr Mitarbeiterzufriedenheit
Viele Beschäftigte kennen das. Sie wohnen außerhalb und pendeln in die nächstgrößere Stadt. Öffentliche Verkehrsmittel oder die Rushhour machen den Weg zur Arbeit und nach Hause oftmals anstrengend und stressig. Hinzu kommen persönliche Termine, wie der Arztbesuch, Besorgungen oder der Gang zur Bank, zum Steuerberater oder Friseur.
Nun gibt es mit der Gleitzeit ein Arbeitszeitmodell, bei dem es nicht auf die Minute ankommt. Stattdessen gewinnt der Arbeitnehmer ein neues Maß an Freiheit und Selbstbestimmtheit, das ihn seine Termine – beruflich wie privat – flexibel gestalten lässt.
Eine Struktur des Arbeitstages bietet ihm die vom Arbeitgeber festgelegte Kernarbeitszeit. Diese ist meistens so gelegt, dass es unproblematisch ist, jeden Tag in diesem Zeitrahmen am Arbeitsplatz anwesend zu sein.
Mitarbeiter genießen durch die gewonnene Eigenverantwortung ein ganz anderes Vertrauen ihres Arbeitgebers.
…eine höhere Bereitschaft für Mehrleistung in Ausnahmefällen
Hand in Hand mit der größeren Flexibilität für Arbeitnehmer geht oft eine Mehrleistung in Fällen von saisonalen Arbeitspeaks oder z.B. einer Krankheitsvertretung einher. Liegt ein solcher Fall vor, erfordern es die zusätzlichen Aufgaben die tägliche Arbeitszeit in diesen Ausnahmesituationen zu verlängern – selbstverständlich unter Berücksichtigung der per Gesetz festgelegten Höchstarbeitszeiten pro Tag.
Gerade dann, wenn im Unternehmen Lieferfristen einzuhalten sind oder andere zeitkritische Projekte bzw. Aufträge abgeschlossen werden müssen, ist vom Arbeitnehmer ein Entgegenkommen erforderlich. Arbeitnehmer sollten in diesem Zeitmodell selbst darauf achten, dass ihre Arbeitszeiten auf Dauer gesehen nicht zu viel oder zu wenig sind.
Entscheidend ist: Beide Parteien – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – gewinnen beim Arbeitszeitmodell der Gleitzeit, solange sich Leistung und Freiheiten die Waage halten.